
„Ein richtiges Familienboot, sicher und räumlich. Trotz bescheidener Dimensionen hat es 5 Schlafplätze, ein selbstlenzendes Cockpit von 2 Meter Länge. Im Innern ergibt sich Stehhöhe in Lee. Der Platz für einen kleinen Motor ist vorgesehen und auch besetzt. Das schlanke Rigg mit seinen einundeinhalb Masten führt volle Segel bis 14 Knoten. Bei zunehmendem Wind wird der Besan gestrichen, bei einem starken Wind kann das Großsegel bis zu 20 Knoten gesegelt werden. Alle Schoten an den drei Bäumen sind “selbst-straffend”. Ein flacher Sprietbaum verlängert die Bootslänge und vergrössert die Fläche des Vorsegels.“
Auszug aus dem : ” Dansk Sejlerblad (Dänisches Seglerblatt) no. 4, 1938″
Ægir wurde in den Jahren 1938-1939 in Dänemark von P.K. Petersen, nach den Plänen von Georg Berg gebaut. Aus dem spärlich verfügbaren Material und aus schlicht nicht verfügbaren Hilfsmitteln entstand ein Meisterwerk das seinesgleichen vergebens sucht.
Der Schuppen gehörte zu einem Bauernhof auf der Insel Ærø, wo P.K. Petersen schon geboren wurde und aufgewachsen ist.
Die in dieser Zeit herrschende Kriegswirtschaft und die Einschränkungen, die von den deutschen Besatzer aus ging, machten das die Einrichtungen spärlich, und die Hilfsmittel beschränkt vorhanden waren. Dies verunmöglichte eine ungehinderte Verfügbarkeit von Materialien und Hilfsmitteln. Allen diesen Hindernissen zum trotz, organisierte Petersen das benötigte Material und Improvisierte aus dem Schuppen eine Werkstatt und verhalf so den Entwürfen und Rissen von Georg Berg, zur Vollendung.
Georg Berg und P.K. Petersen verband eine gute Freundschaft, wo nicht nur der Bau von schönen und schnellen Segelschiffen gefrönt wurde. Den beiden lag viel daran die über Jahrzehnte lange Tradition der dänischen Bootsbaukunst mit zu gestallten und weiter zu entwickeln.
Nach dem Moto: „Was besser gemacht werden kann, ist nicht gut genug“ baute Peterson die Ægir vorerst für sich. Leider war das Schiff für ihn auch nicht uneingeschränkt brauchbar, da die deutschen Besatzer das private Navigieren und Segeln auf dänischen Gewässer untersagten und somit verunmöglichten. Eine weitere Folge der damaligen Kriegswirren war, dass der private Bootsbau zum erliegen kam. Als Bootsbauer war er bei der „Danish light vessels“ eine Art Küstenwache, willkommen und konnte bald als Kapitän seinen Dienst absolvieren. Somit war für Peterson der Besitz der Ægir überflüssig und er verkaufte sie. Das die Familie mit der Ægir eine geheime Bande verbindet, zeigt das bei ihnen zu Hause immer noch ein Halbmodel des Rumpfes an der Wand hängt!
Über die Zeit bis 1966 ist mir über die Geschichte nur soviel bekannt, dass sie nach Esbjerg verkauft wurde um sich auf der Nordsee zu beweisen. Danach segelte sie für einige Jahre im kleinen Belt mit der Stadt Fredericia als Heimathafen.
Im Jahr 1964 wird P.K. Petersens Sohn, Thor Troest durch ein Inserat auf eine allfälligen Verkauf der Ægir aufmerksam. Im Jahr 1966 konnte er das Schiff, dass ihn durch seine jugendzeit begleitete und viele schöne Erinnerungen hafteten, käuflich erwerben. Der damalige Besitzer hatte Ægir in „Meteor“ umgetauft. Thor Troest gab ihr wiederum den Namen „Alette“ nach dem Mittelnahmen seiner Frau. Alette ist von 1966 bis 1990 unter seinem Komando. Er geniesst das Wiedersehen und opfert viel Kraft und Geld um das Schiff in seinen ursprünglich hervorragenden Zustand zurück zu bringen. Das Deck bekommt eine neue Abdeckung aus Leinen. Unter grosser Anstrengungen wurden die Keilbolzen ausgewechselt. Und der alte 5 PS „Albin“ – Motor wir durch einen standesgemässen 10PS Marstal Benzinmotor ersetzt.
Alette war unter den Holzschiffseglern berüchtigt. Auf Grund ihrer Schnelligkeit gewann sie in all den Jahren viele Regatten.
Zeitmangel, zwing P.K. Peteresen’s Sohn das Boot zu verkaufen. Es liegt danach in Norsminde Havn (Bei Odder, südlich von Århus).
An Alette werden danach größeren Renovierungen vorgenommen. Unter Anderem erhält Sie ein neues Deck aus Teakholz, die den schönen Linien des Bootes folgen (mit dem “Fisch” als Zenterlinie). In den folgenden Jahren hat sie Norsminde als Heimathafen.
Jørgen Plough, begegnete im Jahr 1999 durch Zufall Alette an Land. Etwas vernachlässigt, aber grundlegend in gutem Zustand. Auf ein Inserat in einer Zeitschrift, wo eine 40qm Berg Spitzgatter Ketch zum Verkauf angeboten wird, reagiert er umgehend, obwohl er gerade einen alten “Spœckhugger” erworben hatte. (Eine besondere dänische Spitzgatterkonstruktion aus GFK)
Dieses Kleinod musste er unbedingt haben – und hat sich unheilbar in Alette verliebt, so fest dass ein weiteres Leben ohne Sie sich nicht lohnen würde !!
Seit September 1999 liegt die “Alette” im Holzschiffhafen von Aarhus und genießt das fantastische Ambiente inmitten der alten Holzboote.
Über 5Jahre war es Jørgen Plough’s Winterprojekt, Alette zu sanieren um mit ihr den Sommer hindurch in den Segelrevieren Dänemarks zu segeln. Mittlerweile fand er an einem schwedischen SK40 gefallen und beschloss Alette weiter zu geben. Im Jahr 2004 verkaufte er Alette an den Italiener Andrea Cavatorta von Rom. Gemeinsam machten sie Alette klar für die Reise durch die Kanäle von Europa und über das Mittelmeer nach Rom. Andrea benannte Alette wieder auf ihren ursprünglichen Namen Ægir.
Er organisierte einen Flaggenbrief von Belgien, damit Ægir unter belgischer Flagge registriert war.
Im Sommer 2005 reiste Andrea mit der Ægir von Lübeck durch die Kanäle quer durch Belgien, Deutschland und Frankreich in Richtung Mittelmeer. Die Masten hatte er von Dänemark nach Port Louis geschickt um diese dort in Empfang zu nehmen und wieder zu montieren. In der Dauer wo Ægir im Besitze von Andrea war, hat er immer wieder mit Renovationsarbeiten den Zustand von Ægir à Jour gehalten. Er renovierte die Luke und den Bereichs des Cockpits. Die Arbeiten führte er ausserordentlich fachmännisch und mit viel Leidenschaft aus. Entsprechend ergab es ein Resultat, das einem Schiff wie der Ægir würdig war, und qualitativ über einen hohen Standard verfügt. In dieser Zeit versagte der Marstal Motor, und er erwarb ein Volvo Penta Diesel 2002D.
Der Aufwand um Ægir in Stand zu halten war für ihn, der die Arbeiten immer alleine ausführte zu aufwendig geworden. Unter Berücksichtigung, dass Andrea von Rom aus immer mit dem Fahrrad nach dem ca. 40 km entfernten Fiumicino fuhr, um an Ægir zu bauen, versteht man sein Entschluss um so mehr, Ægir im Jahr 2016 zu verkaufen. Er tat dies nicht leichtfertig und es hatte ihn viel Überwindung gebraucht, da ihm Ægir an sein Herz gewachsen ist. Der Zustand von Ægir wurde an Land am Trockenen nicht besser, denn sie war seit 2015 nicht mehr im Wasser. die Plankenfugen haben sich so weit geöffnet und die Bodenwrangen haben diese enormen Feuchtigkeitsschwankungen nicht gut auf genommen. Die Eisenbolzen und das Salzwasser haben gemeinsam mit der Gerbsäure der Eiche gewirkt und das Resultat ist verheerend. Nail-Sikknes, nennen es die Englisch sprechenden. Völlig zersetzt und ohne Widerstandskraft sind diese wichtigen Verbindungen, die quer über die Kielbohle den ganzen Schiffsrumpf zusammenhalten, in sich zerbrochen. Andrea’s Fachwissen, dass er sich über all die Jahre wo er Ægir besitzte aneignete, halfen ihm die bittere Entscheidung zu fassen. Er wusste genau und konnte es gut beurteilen, was da auf ihn zukommen würde, wenn er sich an die Struktur von Ægir heranwagte.
Seit dem 28. April 2017 steht Ægir nun in den Schweizerbergen und wird von mir Renoviert. Nach und nach habe auch ich realisiert, mit was für einem Aufwand Ægir auf das Wasser zurückgebracht werden kann. Der Entschluss Ægir zu erwerben erfolgte nach Regeln, die jenseits des Normalen Menschenverstandes zu finden sind. Aber mit der Entschlossenheit und Ausdauer wird es möglich sein, diesen Wunsch zu erfüllen. Schon allein die Begegnungen mit Menschen die ich im Zusammenhang mit Ægir erleben durfte, waren für mich eine enorme Bereicherung. Es waren Menschen die irgend etwas mit Ægir in all den Jahren etwas zu tun hatten. Voreigner, Grosssohn vom Erbauer u.s.w. All diese Erlebnisse schüren immer und immer wider meine Motivation, dieses „verrückte“ Projekt zu vollenden.
Unter den Rubriken „Blog“ und „Album/Gallerie“ können sie die Renovation verfolgen. Auf die Unterstützung in aller Form werde ich angewiesen sein. besonders auf die wertvollen Ratschläge freue ich mich schon jetzt.
Thomas Frautschi und Familie
P.S.
Bedeutung des Ægir in der Mythologie
Ägir ist ein Meeresriese, der den Asen nahesteht, aber dem älteren Geschlecht der Jötunn angehört, und in der nordischen Mythologie die Züge eines Meeresgotts annimmt. Er ist der Sohn des Miskorblindi bzw. Fornjótr. Seine beiden Brüder sind Logi, das Feuer, und Kari, der Wind. Er ist Vater von neun Töchtern, den Ägirstöchtern (Angeyja, Atla, Eistla, Eyrgjafa, Gjálp, Greip, Imðr, Járnsaxa und Úlfrún), die verschiedene Arten von Meereswellen darstellen (neben diesen Namen nennt Snorri aber andere: Bára, Blóðughadda, Bylgja, Dúfa, Hefring, Himinglæva, Hrönn, Kolga und Uðr). Seine Gattin ist die Meeresgöttin Rán. Er wohnt auf der Insel, die Hlésey genannt wird, und ist sehr weise. Da die Menschen glaubten, dass Ägir sein Unterwasserreich nur verließ, um Schiffe und ihre Besatzung zu vernichten, wurden ihm vor Antritt einer Seereise Gefangene geopfert, um eine sichere Überfahrt zu gewährleisten
Ægirs Rolle als Gastwirt der Götter
Ägir wurde von Thor aufgetragen, für die Götter Bier zu brauen, aber er gab vor, keinen Kessel zu haben, der dafür groß genug sei. In Wirklichkeit wollte er sich aber nur keinen Befehl von Thor geben lassen. Thor allerdings besorgte sich einen riesigen Kessel vom Reifriesen Hymir. So musste der gedemütigte Ägir doch noch das Bier für Asgard, den Wohnsitz der Götter, brauen. Um sich für diese Niederlage zu rächen, vergällte er das Bier mit Hopfen, so dass es wohl noch trinkbar, aber nicht mehr geniessbar war. Bei einem Gelage der Asen lässt er Gold in die Halle tragen, so dass diese hell erleuchtet wird wie von einem Feuer. Dieses Gold ist das Leuchten des windstillen Meeres.
Männlicher Vorname
Ægir ist ein männlicher Vorname in Dänemark, Norwegen, Island und auf den Färöern. In Schweden verwendet man die Form Ägir oder Aegir.
(Quelle: Wikipedia)
Ægir als Name von unserem Segelschiff
Wie es in Wikipedia zu lesen ist, Ægir ein männlicher Vornahme. Für mich kann Ægir auch in weiblicher Form benutzt werden. Nach alter Tradition haben Schiffe weiblich klingende Namen.
So werde ich mir künftig die Freiheit nehmen, wenn ich im Zusammenhang mit unserem Schiff „Ægir“ etwas schreibe oder darüber spreche, die weibliche Form an zu wenden. In Ehren und als Würdigung an P.K. Petersen, finde ich es nicht angebracht unser Schiff noch einmal um zu benennen.
Thomas Frautschi